Die Pandemie hat erhebliche Schwächen, wie im Bereich Kommunikation, im fehlenden Vertrauen in die Wissenschaft und in der Struktur unseres Gesundheitssystems, transparent gemacht.
Prinzipiell muss unser Gesundheitssystem widerstandsfähiger und resilienter gestaltet werden, um Freiheitsbeschränkungen generell zu verhindern!
Woran kann man eine gute Gesundheitsversorgung messen?
- an der Übersterblichkeit:
Die Übersterblichkeit ohne Corona-Tote war lt. WHO 2,5-mal höher als in Vergleichszeiträumen! Die Ursache der Unterschiede der Mortalitätsraten in den Ländern, ergeben sich unter anderem durch das Klima, die Bevölkerungsstruktur, sozialen Ungleichheiten und in den Gesundheitsversorgungsstrukturen.
Die Übersterblichkeit für 2021 und 2022 war in DK 2 %, SE 6 % und AT 13 %.[1]
- an den „gesunden“ Lebensjahren:
In AT werden Frauen beispielsweise 59 Jahre gesund alt und in SE 72.
- an den versorgungsbedingten Kollateralschäden im Gesundheitswesen:
Nicht-Covid-Patienten wurden kaum versorgt. Konzentration lag auf Covid-Patienten!
Wie feststellbar?:
- Signifikanter Rückgang (1/5) von Spitalsaufenthalten (Vergleichszeitraum Jahre vor Pandemie)
- Ambulanzfälle sind um 20% zurückgegangen
- Ordinationsbesuche sind um 6,5 Mio./Pandemiejahr gesunken
- Wartezeiten sind enorm gestiegen:
Herz OP minus 16 %
Elektive OP (Knie, Hüfte, Rücken), 14% (1.HJ 2022 bis zu 50 %) weniger.
Was haben andere Länder anders gemacht?
- Planungsstruktur im Pandemiemanagement
Wie werden Krankenhaus-/Intensivbetten in Europa geplant?
AT hat 7 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner und SE 2,1!
AT plant nach Bestandszahlen getrennt nach medizinischen Bereichen und Schwerpunkt pro Bundesland. SE plant zentral nach Morbidität der Bevölkerung und niedergelassener Versorgung in der Region. DK plant regional nach aktueller Datenlage und zentralen Vorgaben.
- Spezialisierung und Konzentration
DK plant nach Spezialisierung, angepasst an den medizinischen Fortschritt und die Erfahrung des Fachpersonals. In DE und AT gibt es nichts Einheitliches.
- Ressourcen
AT hat viele elektive Eingriffe durch die Covid-Auslastung der Intensivbetten verschoben und zu wenig in das Personal investiert. Anders in DK, welches viel ins Personal investiert hat – Notfallbetreuungen für Kinder der Bediensteten, Medizinstudenten und Krankenpflegeschüler rekrutiert, Pensionisten zurückgeholt… SE hat sehr flexibel agiert – Verdopplung von Räumlichkeiten durch Umwidmung und Ausstattung, Steuerfreiheit für Überstunden, Boni im Gesundheitsbereich und Umschulung von Personal anderer Versorgungseinheiten.
- Intensivkapazitäten
AT hat fast 29 Intensivbetten pro 1.000 Einwohner. SE knapp über 5, außerdem besitzen diese seit über 20 Jahren ein Intensivregister, während wir hierzulande mangels gelieferter Daten keine valide Datengrundlage haben. DK hatte eine Intensiv-Task-Force, die durch tagesaktuelle Daten Kapazität und Personaleinsatz in kurzer Zeit verdoppeln konnte.
- Patientensteuerung
In AT organisiert jedes Bundesland anders. In DK gab es bei milden Verläufen Teleconsulting durch den Hausarzt, Triagierung in den Gesundheitszentren/Ambulanzen mit zeitnahem Datenmanagement und in SE Telefonberatung und ambulante Gesundheitszentren.
Die besten europäischen Länder: DK, SE und NO sind am besten durch die Pandemie gekommen. SE ist einen sehr liberalen Weg ohne Lock-down gegangen, was u.a. in der Selbstverantwortung der Bevölkerung liegt. Auch wenn die Übersterblichkeit zu Beginn der Pandemie durch strukturelle Probleme im ambulanten Pflegesektor etwas höher war, wurde mittels Information und Ausstattung sofort gegengesteuert.
Was kann AT aus der Pandemie lernen?
Viele Betten sind keine Garantie für ein effektives Pandemiemanagement! Es benötigt über alle Bundesländer hinweg eine einheitliche Koordinierung und Flexibilität. Spezialisierung der Krankenanstalten und Vortriagierung im niedergelassenen Bereich, ermöglichen leichtere Patientensteuerung in Krisenzeiten. Weiters ist ein strukturiertes, zeitnahes, systematisches und nationales Datenmanagement Voraussetzung für eine effektive Maßnahmensteuerung! DE hat z. B. ein zentrales Todesursachenregister.
Ein Überdenken der föderalen Strukturen in Bezug auf das Gesundheitsmanagement und -finanzierung sind notwendig. Eine gesamtheitliche Steuerung des intra- und extramuralen Bereiches fehlt. Partikularinteressen und Provinzialität münden in langwierigen Abstimmungsprozessen zwischen Bund und Länder und behindern ein effektives, rasches Pandemiemanagement. Fragmentierung der Finanzierung und der fehlenden Verantwortung tragen weiters zur Ineffizienz bei.
Anzudenken wäre daher eine länderübergreifende Strukturbereinigung im Krankenhaussektor, um medizinische Leistungen und Behandlungsangebote zu bündeln. Eine Zusammenführung der Trägerschaften und Finanzierung der Krankenanstalten seitens der Länder und die Sozialversicherung als Einkäufer aller Leistungen, stationär, ambulant und niedergelassen, wären der Schlüssel. Letztendlich soll der Patient im Mittelpunkt stehen.
Zusammenfassend zeigte sich in der Diskussion, dass auch die Umsetzung der gesamtstaatlichen umfassenden Landesverteidigung (ULV) entsprechend der Verfassung zur wesentlich besseren Pandemiebekämpfung zusätzlich hätte beitragen können. Warum das alles nicht passiert ist? Diese Frage sollte die Regierung beantworten. Vielleicht wird es ja evaluiert?
[1] Euromomo, 12/2022
Vortrag Bundesministerin a. D., Mag. Beate Hartinger-Klein, MA